Nachdem die beyerdynamic Amiron Wireless sich nicht nur als hervorragende Heim-Kopfhörer präsentierten, sondern auch mobil eine sehr gute Figur machten, soll im folgenden Test einem weiteren Kopfhörer aus gleicher Manufaktur Beachtung geschenkt werden, dessen Ausrichtung deutlich mehr in den "Unterwegs-Bereich" ragt. Bei dem beyerdynamic Aventho Wireless handelt es sich um On-Ear-Kopfhörer, welcher technisch viele Parallelen zu den größeren Over-Ear-Geräten aufweist. Denn auch hier kommen die sogenannten Tesla-Treiber zum Einsatz und auch die Bedienung sowie App sind identisch gestaltet. In der Summe also ebenfalls rundum gelungen?
Betrachtet man die Amiron Wireless und Aventho Wireless im direkten Vergleich, kann man sich es nur schwer vorstellen, dass sie technisch eng verwandt sind. Doch irgendwie scheint es der Hersteller geschafft zu haben, das Technik-Paket so zu schrumpfen, dass es in einen deutlich kompakteren On-Ear-Kopfhörer passt. Der Vorteil dieser Kompaktheit ist natürlich, dass sich die Kopfhörer auch einfacher transportieren lässt. Dass das auch so gewollt ist, was der sehr hochwertige Transportbeutel, der im Lieferumfang zu verorten ist unterstreicht. Da man die Cups um 90° drehen kann, lässt sich das ganze flach im Rucksack verstauen.
Aber nicht nur wegen der Größe ist die Verwandtschaft zum Amiron nicht direkt ersichtlich. Beim Design sticht der Aventho Wireless aus dem doch schon sehr abwechslungsarmen Stil der aktuellen Kopfhörer etwas heraus. Sind die Geräte wie bspw. das beyerdynamic MMX300 Gen2 eher nüchtern gestaltet, traut sich der Hersteller beim Aventho etwas mehr im Design zu. Vor allem in der vorliegenden braunen Farbgebung vermittelt er einen Retro-Charme. Alternativ gibt es den Kopfhörer auch mit schwarzen Polstern. Gemeinsam ist dabei aber immer der Mix aus gebürstetem Edelstahl, rohem Aluminium sowie das schwarze Gehäuse. Unterschiede zu den Amiron sind auch bei der Wahl der Polster-Bezüge zu finden. Statt Mikrofaser und Stoff, wird bei den Aventho auf ein sehr geschmeidiges Kunstleder gesetzt. Hier werden Erinnerungen an das beyerdynamic Custom Game wach, welches ebenfalls extrem weiche Polster vorweist.
Der Kopfhörer ist geschlossen umgesetzt, was für den mobilen Einsatz auch Sinn ergibt. Man möchte seine Mitmenschen ja nicht unnötig in nerven. Wobei durch den Einsatz der Tesla-Technologie auch das Potential vorhanden wäre, dass man diese durch eine offene Bauweise teilnehmen lassen könnte am Musik-Wohlgenuss. Die passive Geräuschunterdrückung lässt hier aber nur wenig Klänge nach Außen dringen. Um die Tesla-Technologie noch einmal in kürze zu erklären: Der Hersteller setzt hier auf einen großen Ringmagneten mit Vollmetallgehäuse, was in der Summe für eine elektromagnetische Abschirmung und doppelt so hohe Magnetfeldstärke, ergo höheren Kernschalldruckpegel sorgt. Die Effizienz steigt ebenso, wodurch sie auch auch an leistungsschwachen Geräten betrieben werden können, also perfekt für einen Bluetooth-Kopfhörer bzw. den mobilen Einsatz.
Damit dieser ohne Kompromisse erfolgt, hat man dem Gerät mehrere Einstellungs-Optionen an die Hand gegeben. Das Metall-Kopfband lässt sich bspw. um je 11 Stufen verlängern. Bei den Drehgelenken hat man auf eine Art Nieten gesetzt, was ebenfalls zur klassischen Anmutung beiträgt, sehr schön und hochwertig verarbeitet. Auf jeden Fall eine ganz andere Hausnummer, als der letzte Kopfhörer mit ähnlicher Auslegung, dem Teufel Airy (2019). Auch die Kleinigkeiten wie die gerändelten Ringe an den Gehäusen sowie zwischen den Gelenken sprechen eine eindeutige Sprache: Es handelt sich um ein Premium-Kopfhörer.
Anschlüsse sind in Form eines Typ-C und einer 3,5mm Klinken-Buchse vorhanden. Anbinden lässt sich der Aventho Wireless also über drei Wege, denn Bluetooth wird natürlich ebenfalls unterstützt. Genutzt werden kann hier auch der Codec aptX HD, sodass bei Hi Res Material auch drahtlos kaum Übertragungsverluste vorliegen sollten. Schaltern oder Tasten sind kaum vorhanden. Der keine Knopf neben den beiden Buchsen dient dem Ein- und Ausschalten, alles weitere erfolgt wie beim "großen Bruder" per Touch auf der unbeschrifteten Ohrmuschel.
MIY App
Die MIY App wurde bereits beim Test beyerdynamic Amiron Wireless ausführlich vorgestellt. Grundsätzlich soll sie für eine individuelle Klanganpassung an das eigene Gehör sorgen. Das sehr einfach als Schätzung über das Alter des Nutzers erfolgt oder ausführlicher mit einer Messung. Hierbei werden beide Ohren nacheinander mit verschiedenen Tönen bespielt, währenddessen man angeben muss, wann und wie lange man diese wahrnimmt. Mittels eines Algorithmus wird dann die Hörfunktion berechnet bzw. ermittelt und ein Profil angelegt. Die Intensität des Profils lässt sich dann jeder Zeit verändern. Weiterhin gibt die App Auskunft darüber wie viel man die Kopfhörer am Tag bereits genutzt hat und spricht eine Empfehlung aus. Auch die Bedienung wird in voller Länge dargestellt, sollte man sich unterwegs auf einmal nicht mehr daran erinnern können. Einen Equalizer findet man hingegen nicht vor. Der Hersteller ist sich also ziemlich sicher, dass der Kopfhörer bereits in der Grundabstimmung sehr gut ist bzw. die Anpassung den Rest erledigt.









Praxis & Klangcheck
Ehrlich gesagt muss man On-Ear-Kopfhörer mögen. Ist das nicht der Fall, ist es nur schwer warm mit diesen zu werden, wie in meinem Fall. Für mich persönlich gilt die Devise entweder ein In- oder Over-Ear-Kopfhörer oder gar nichts. Daher mein Tipp, man sollte sich erstmal generell mit diesem Typ Kopfhörer vertraut machen und herausfinden ob man kein Problem mit einem On-Ear hat. Denn als dieser hinterlässt der Aventho Wireless beim Tragekomfort einen guten Eindruck. Insgesamt ist er etwas straffer als bspw. der Teufel Airy abgestimmt, was aber dem Halt zugute kommt. Zudem sorgt der gute Anpressdruck dafür, dass die weichen Polster die Ohren besser abdichten. Von Oben spürt man eigentlich gar keinen Druck, was vermutlich auch am relativ geringen Gewicht von 238 Gramm liegt. Wie gesagt, es fühlt sich so an, als würden sich die Kopfhörer eigentlich rein über die Seiten abstützen. Das ist schon spürbar und sorgt in meinem Fall nach ein, zwei Stunden auch dafür, dass ich dem Hörgenuss eine Pause gönnen muss. Damit scheiden sie, rein subjektiv, auch als Heim-Kopfhörer aus. Als Vorteil hat sich, in meinem zwei Wochen Pendel-Einsatz, die Größe herausgestellt. Kopfhörer wie bspw. die Amiron Wireless können schon als Sperrgut ausgemacht werden, wenn man nur eine kleine Tasche dabei hat. Der Aventho Wireless lässt sich hingegen im Sack platzsparend verstauen. Leider ist mir dabei aufgefallen, dass der Kopfhörer dazu neigt sich selbst zu zerkratzen. Das wird wohl auch der Grund sein, weshalb der Hersteller bei Auslieferung einen Schaumstoffkeil zwischen den Gehäusen platziert.
Die Bedienung des Kopfhörers ist eigentlich recht intuitiv. Wer ein Smartphone nutzen kann, sollte auch mit den Wischgesten von beyerdynamic zurechtkommen. Hilfe bietet hier ja auch die App zu jedem Zeitpunkt. Dass die berührungsempfindliche Fläche kleiner als beim Amiron ist, hat sich dabei nicht negativ abgezeichnet. Auch überzeugt die Akku-Performance mit ihren gerundeten 25h Durchhaltevermögen. Sollte der Akku dann doch einmal leer sein, kann alternativ via Klinke weitergehört werden und dank der Impedanz von nur 32 Ohm, gelingt dies auch an gängigen mobilen Ausgabegeräten. Voll im Saft steht der Akku wieder nach etwas über zwei Stunden.
Das Gesamtbild der Aventho Wireless wird nochmal deutlich in Richtung positiv verschoben, sobald man sie einschaltet bzw. mit angemessenem Quell-Material versorgt. Um hier adäquat zu testen, wurde vom Sony Walkman NW-ZX2 via Kabel und vom Huawei P20 Lite via aptX HD FLAC-Material zugespielt. "Schlechtes" Ausgangsmaterial verzeiht der Kopfhörer nämlich nicht bzw. ist es wirklich erschreckend deutlich, wie Unterschiede zwischen hochauflösend und dem Streaming-Kompromiss mit z. B. Spotify sich abzeichnen. Alleine aus dem theoretischen Frequenzbereich von 10 Hz bis 40 kHz des Aventho Wireless lässt sich ablesen, dass er förmlich nach Details giert. Und in der Tat arbeitet er diese feinfühlig heraus, übertreibt es damit aber auch nicht. Gut hörbar ist das bspw. bei Someone You Love von Lewis Capaldi. Während sich prägnante Stimme gefühlvoll in den Vordergrund schiebt, zeichnet sich im Hintergrund das Klavier ebenfalls sehr sauber heraus. Sollte eine Note fehlplatziert sein, dann liegt das sicherlich nicht am Aventho Wireless.
Gute Laune wird in Party On Fifth Ave von Mac Miller nicht nur durch den Text des Rappers verstreut, sondern auch, weil der Kopfhörer auch hier einen grandiosen Job abliefert. Die Stimme des Amerikaners hebt sich deutlich von der Melodie ab, wobei man durchaus das Gefühl hat, dass man den zu früh verstorbenen Künstler noch einmal live erlebt. Der Kopfhörer vermittelt insgesamt einfach eine sehr realistische Kulisse.
Bass mit einem Over-ear-Kopfhörer? Für den Aventho ebenfalls kein Problem. Bei Take The Power Back von Rage Against the Machine legen sich die Tesla-Treiber richtig ins Zeug, damit die anfänglichen Bässe schön knackig wiedergegeben werden. An Exaktheit und Timing wird auch dann nicht eingebüßt, als die weiteren Instrumente hinzustoßen und de la Rocha den Track mit Text füllt. Man hat zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, als würde ein Detail nicht so gesetzt werden, wie er sollte bzw. dass irgendwas ausgelassen werden würde. Und das ist in dem "wilden Durcheinander" im Crossover-Genre, durchaus erstaunlich.
Fazit
Ausgehend vom beyerdynamic Amiron Wireless waren die Erwartungen an den Aventho Wireless natürlich sehr hoch. Enttäuschung hat sich nach der ausgiebigen Testphase in keinem Fall breit gemacht. Man muss aber auch sagen, dass On-Ear-Kopfhörer einen eher schweren Stand haben, zumindest nach einer kurzen Fragerunde im näheren Umfeld. Das vorliegende Exemplar meistert die Disziplin des Komforts allerdings zufriedenstellend. Der leichte Kopfhörer macht sich nach längerer Nutzung nicht auf dem Kopf bemerkbar, sondern an den Ohren. Verantwortlich ist hierfür die straffere Auslegung, welche jedoch für einen festen Sitz sorgt, was wiederum nach sich zieht, dass sich die sehr weichen Polster eng an den Kopf bzw. die Ohren schmiegen, wodurch eine hohe passive Abschirmung erreicht wird. In das Kapitel Komfort spielen auch die Verstellmöglichkeiten hinein, welche zudem zur coolen Optik des Gerätes beitragen. Der Hersteller bricht nämlich ein wenig mit dem sonst sehr einfachen Design und präsentiert den Aventho Wireless mit einem Hauch Retro-Feeling. Dies kommt vor allem bei der brauen Farbvariante zum Tragen, insgesamt wird es aber auch durch die Edelstahl- und Aluminium-Elemente hervorgerufen. Diese sorgen aber auch für Kritik, da sie die Kunststoff-Gehäuse zerkratzen, wenn man nicht richtig acht gibt.
Weniger klassisch geht es bei der Technik zu Werke. Dem Kopfhörer hat man die Tesla-Technologie spendiert, welche man ausschließlich den Premium-Produkten zukommen lässt. Merkmal ist eine besonders hohe Magnetfeldstärke, welche im Vergleich mit den DT-Treibern für mehr Dynamik und Effizienz sorgt. Dass der Klang damit phänomenal ausfällt, ist vorprogrammiert. Wie auch schon der große Bruder, können die Kopfhörer mit einem sehr hohen Detailgrad punkten, ohne dabei analytisch zu wirken und können dank der geschlossenen Bauweise auch böse tief zu Werke gehen. In allen belangen eine sehr gute Soundperformance. Zugespielt werden kann das Quellmaterial mittels Bluetooth 4.2, USB oder Klinke. Dass der ältere BT Standard zum Einsatz kommt, ist kein Nachteil. BT 5.0 ist nur effizienter, aptX HD wird auch bei der älteren Version unterstützt. Die Klinke-Buchse kann zudem als Notfall-Anschluss fungieren, sollte man den Akku leer gespielt haben. Da dies im Test erst nach ~25h der Fall war, ist so eine Situation vermutlich eher selten der Fall.
Gut gefallen hat auch beim Aventho Wireless die intuitive Bedienung, welche man schnell verinnerlicht hat. Notfalls kann man sich die Wisch-Ggesten in der App noch einmal Anschauen. Ihre Hauptaufgabe ist allerdings die Personalisierung des Klangs anhand eines Tests. Spürbar ist die Anpassung tatsächlich, ob sie wirklich besser ist, muss man für sich selbst entscheiden. Die Stärke des Profils lässt sich zudem auch regeln. Was evtl. dem ein oder anderen fehlt, ist ein Equalizer in der App. Der Hersteller vertraut einfach darauf, dass man direkt vom Werkssetting überzeugt ist.
Zieht man den Preis heran, kann man schon beinahe etwas positiv überrascht sein. Klar sind ~320€ kein Pappenstiel, aber vergleicht man den aufgerufenen Preis mit dem Amrion Wireless, welcher ab ~600€ erhältlich ist, klingt er schon beinahe fair. Abschließend lässt sich sagen, dass der Hersteller hier für die Bauart ein exzellentes Produkt abgeliefert hat.
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